Es war einmal …
Dies ist leider kein Märchen, sondern eine wahre Geschichte.
Lang und lesenswert!
… ein Hund namens Berlino.
Im Mai 2014 kam Berlino aus einem „Tierheim“ in das Villaggio del cane nach Montegranaro (kurz: Monte).
Monte war zu diesem Zeitpunkt in Italien ein Vorzeige-Tierheim. Es gab kleine Außenbereiche an den Zwingern, aber auch größere Auslaufzonen mit Gras. Die Hunde wurden meist in Zweiergruppen untergebracht, selten auch mal zu dritt. Es gab Hütten und Decken, regelmäßig (das heißt, jeden Tag) Futter und frisches Wasser, Gassirunden, Knuddeleinheiten, medizinische Betreuung und vor allem menschliche Ansprache.
Die meisten Leser werden denken, dass dies ja das Minimum für ein Tierheim darstellt. Ja, das ist richtig, aber nicht in Italien. Einige Leser werden schon Bilder aus den sogenannten Hundehöllen
(Canili) gesehen haben. Wer danach noch ruhig schlafen kann, sollte mal zu einem Psychiater gehen.
Die Hunde landen nicht selten schon als Welpe in einem Canile und siechen ein Leben lang im Dreck, mit Hunger, Durst und unbehandelten Krankheiten und unter menschlicher Mißachtung, oft auch
Tritten und Schlägen, sowie ungeschützt vor der Witterung vor sich hin. Wer die erste Zeit überlebt und nicht von dominanteren Hunden beim Kampf ums Fressen totgebissen wurde, sieht einer völlig
trostlosen und lebensunwürdigen Zukunft entgegen, bis das Lebenslicht, unbemerkt von den Menschen, für immer erlischt.
Aber zurück zu Monte.
Geführt wurde das Tierheim von einer vor vielen Jahren ausgewanderten Deutschen, die ihr ganzen Herzblut und ihre ganze Kraft, physisch und psychisch, in die armen Seelen in Monte investierte.
Unterstützt wurde sie vor Ort von einem kleinen Team ebenso engagierter Tierfreunde.
Berlino kam also aus einem Canile nach Monte. Er war zu diesem Zeitpunkt schon geschätzte 8 Jahre alt und hatte diese in dem Canile verbracht. Völlig verängstigt, verdreckt und unterernährt
verkroch sich Berlino in seinem neuen Gehege in die Hütte und verließ diese nur, wenn er sich einigermaßen sicher fühlte. Kam ihm ein Mensch zu nahe, trat er entweder sofort den Rückzug an oder
erstarrte in Erwartung von Tritten und/oder Schlägen. Ein Häufchen Elend.
Damit wir uns nicht falsch verstehen, Berlino ist ein Beispiel für die vielen Hunde, die in so einem Zustand nach Monte kamen. Manche davon haben ihr bis dahin verstrichenes Leben besser
weggesteckt, andere waren noch viel schlimmer dran.
So vielfältig wir als Personen sind, so verschieden waren auch die Wege, die uns letztendlich alle nach Monte geführt haben. Und wir alle sind kleben geblieben, weil wir von der Arbeit vor Ort
überzeugt sind. Viele von uns waren schon selbst in Monte und haben sich ein Bild vom Tierheim, vom Team und vor allem von den Hunden machen können.
Dann geschah das absolut Unfassbare. Im November 2014 erfolgte ein Betreiberwechsel, da Monte pleite ging. Einer der Gründe war, dass so erfolgreich vermittelt worden war, dass die Einnahmen
weniger wurden. Man muß wissen, dass die Gemeinden verpflichtet sind, für jeden Hund pro Tag zu bezahlen. Aber nicht nur die erfolgreichen Vermittlungen führten dazu, sondern auch, dass manche
Gemeinden nicht mehr bezahlten. Diese Lücke konnte nicht durch Spenden geschlossen werden.
Einige der bisherigen Unterstützer zogen sich schnell zurück und dadurch brach weitere Unterstützung weg. Die einstige Deutsche, die das Tierheim geführt hatte, saß kurzerhand auf der Straße und
durfte das Gelände nicht mehr betreten. Eine unvorstellbare psychische Belastung. Und wir in der Ferne konnten nichts tun. Totale Hilflosigkeit.
Nun hieß es, den Schock abschütteln und überlegen, wie wir helfen können. Plötzlich sind Adoptionen nicht mehr gewünscht. Die einsitzenden Hunde werden mehr schlecht als recht versorgt.
Menschliche Zuwendung ? Fehlanzeige !
So begann ein täglicher Kampf gegen Profitgier, Gleichgültigkeit, Behördenkämpfe, Korruption, Drohungen und Verleumdung. Ein Kampf gegen Windmühlen. Viele Vereine und Tierschützer haben sich
inzwischen aus Italien zurückgezogen, da dieser Kampf für einige zu anstrengend ist, natürlich auch kostet und der Meinung Vieler nach, nicht zu gewinnen ist.
Seit Betreiberwechsel ist es immerhin gelungen, acht Hunde aus Monte freizubekommen und bis zu ihrer Ausreise in einer liebevoll geführten Pension bzw. bei Privatpersonen unterzubringen. Louise,
Cialda, Cipria, Collina, Comico, Hoskar, Berlino und Emilia sind zwischenzeitlich zu ihren Familien nach Deutschland gereist und genießen dort ihr Leben.
Einer dieser Hunde war Berlino (auf den Bildern, die ihn in SEINER Familie zeigen, teils mit seiner neuen Hundekumpeline Roxie zu sehen).
Noch etwas verstört, was wohl mit ihm passiert, zog er am 9. März 2015 in die Pension. Hier konnte er sich erst einmal von den Strapazen erholen. Längst hatte sich Nadja entschieden, Berlino sein erstes Zuhause zu geben. Es waren Wochen und Monate der Ungewissheit und des Bangens. Dann war es endlich soweit. Nadja holte ihren Jungen selbst am 17. April 2015 in der Pension ab.
Nach einer ruhigen Fahrt war die Heimat recht schnell erreicht.
Wer nun meint…
- ein alter Hund kann sich nicht mehr eingewöhnen
- ein alter Hund kann nichts mehr lernen
- ein alter Hund bindet sich nicht mehr
- ein Canile-Hund steckt voller Krankheiten
- ein Canile-Hund ist unberechenbar in seinem Verhalten
… liegt völlig falsch. Diese Behauptungen sind totaler Blödsinn. Natürlich gibt es Angsthunde oder Hunde mit Erkrankungen. Aber für diese speziellen Hunde werden auch spezielle Familien gesucht.
Berlino ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass ein Canile-Hund und ein alter noch dazu, das neue Leben mit offenen Armen (Pfoten) empfängt, mit wachem Geist alle Eindrücke förmlich einsaugt und ein warmes, weiches Bettchen so sehr genießt. Er ist sehr wohl in der Lage, Liebe zu empfangen und zu genießen aber auch Liebe zu geben.
Berlino steht stellvertretend für alle die Hunde, für die wir kämpfen. Zu viele sind bereits ohne ein eigenes Zuhause über die Regenbogenbrücke gegangen. Obwohl uns die Sorge und Unterstützung der Oldies und Kranken zusammengeführt hat, werden wir um jede einzelne Hundeseele kämpfen. Egal, ob Rüde oder Hündin, jung oder alt, krank oder gesund, gut vermittelbar oder weniger gut. Jeder dieser Hunde hat es verdient.
Bei Gesprächen vor Ort mit den Gemeinden gab es erste Erfolge. So stehen doch ein paar wenig Gemeinden hinter „unserer“ Sache. Das war noch vor ein paar Monaten undenkbar. Dank der Hartnäckigkeit und Aufklärungsarbeit der Leute vor Ort, konnten wir einige Personen von der Notwendigkeit des „tätig werdens“ überzeugen. Es sind immer wieder kleine Schritte, die ständig durch Rückschläge gedämpft werden, die uns aber weiter machen lassen. Und solche Fälle, wie der von Berlino, geben uns die Kraft dafür.
Viele von uns haben selbst einen oder mehrere der Notfelle aus Monte aufgenommen und keinen einzigen Tag davon bereut. Im Gegenteil; diese Hunde sind so wahnsinnig dankbar und oft unkompliziert
und haben so viel Liebe zu geben.
Monte ist eines unserer Projekte, was aber nicht bedeutet, dass wir nicht auch andernorts in Italien helfen werden.
Claudia W.-B.
25. September 2015
Leider haben sich im Laufe der Monate sämtliche Hoffnungen zerschlagen, noch Hunde aus Monte frei zu bekommen. Trotz Zuhilfenahme einer Anwältin in Italien, trotz Unterstützung durch so manch
Verantwortlichen in den jeweiligen Gemeinden vor Ort.
Die Zusammenarbeit endete daher Anfang 2016.
Für uns bedeutet das jedoch nicht, den Kopf in den Sand zu stecken, denn es gibt ja leider noch zahlreiche Tierheime und Vierbeiner in Italien, die Hilfe benötigen und sich darüber freuen.